Kreml sauer
Älter als 7 Tage  

Aeroflet sagt "Njet" zur Tupolew Tu-214

Tupolew Tu-214
Tupolew Tu-214, © UAC

Verwandte Themen

MOSKAU - In Russland ist eine Diskussion entbrannt - um die Tupolew Tu-214. Aeroflot-Chef Alexandrowski will den wiederbelebten Retro-Jet gegen mehr moderne MS-21 tauschen. Die Regierung in Moskau ist nicht begeistert. Doch objektiv betrachtet, geht es so oder so um ungelegte Eier.

Russlands Flugzeugbauer hecheln den hohen Zielen der Regierung weiter hinterher. Längst hätten die ersten Tupolew Tu-214 aus neuer Produktion an Airline-Kunden gehen sollen, die Übergabe der ersten sechs Jakowlew MS-21 sollte in diesem Jahr anstehen und auch der Serienbau des russifizierten Suchoi Superjet müsste laut Plan vom Sommer 2022 schon auf Hochtouren laufen.

Die Realität hat die großen Pläne allerdings längst eingeholt: Die MS-21 kommt frühestens 2026 auf dem Markt, der Superjet fliegt immer noch nicht mit russischen PD-8 Triebwerken - und auch eine neu gebaute Tu-214 hat das Produktionswerk in Kasan bis jetzt noch nicht verlassen.

Für Sergei Alexandrowski, Chef der Aeroflot-Gruppe, sind diese eher fahlen Aussichten nun ein Anlass, über einige Dinge laut nachzudenken. Zum Beispiel darüber, ob es für Aeroflot überhaupt noch sinnvoll erscheint, sich wie geplant mit bis zu 40 Tu-214 einzudecken.

Eigentlich wollte Alexandrowski den revitalisierten Retro-Airliner aus Kasan nämlich noch nie wirklich haben - unter anderem wegen des antiquierten Dreimann-Cockpits, wie er Anfang 2023 sagte.

Und offenbar wittert der Chef der größten russischen Airline-Gruppe jetzt seine Chance, die ungeliebte Übergangslösung wieder loszuwerden. Auch Optionen auf 89 Superjets will Aeroflot, wenn möglich, nicht mehr einlösen.

"Angesichts der Tatsache, dass sich die Fristen nach hinten verschieben", habe man sich die Vereinbarung mit Hersteller UAC "genau angesehen", sagte Alexandrowski am Rande einer Wirtschaftskonferenz in Sankt Petersburg gegenüber dem russischen Kanal Rossija 24. "Nun diskutieren wir über die Umwandlung dieser Vereinbarung und die vollständige Umstellung der Flotte auf MS-21."

Dem Kreml gefällt das nicht

Die United Aircraft Corporation UAC, Russlands staatliche Flugzeugbau-Holding, äußerte sich zu dem Thema bislang nicht. Bei der russischen Regierung ist man über den Vorstoß des Aeroflot-Chefs allerdings wenig begeistert, wie es scheint.

Russlands neuer Industrie- und Handelsminister Anton Alichanow versuchte, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Tass diplomatisch zu bleiben und sagte, man werde sich "jetzt mit den Kollegen von Aeroflot" und dem Verkehrsministerium an einen Tisch setzen, um die Angelegenheit zu klären. "Ich denke, wir können zu einer Einigung kommen", so Alichanow.

Wie diese "Einigung" im Detail aussieht, wird sich zeigen. Bei Lichte betrachtet muss man aber feststellen, dass Aeroflot in absehbarer Zeit wohl weder mit neuen Tu-214 noch mit neuen MS-21 rechnen kann. Zumindest in diesem Jahr wird es seitens der russischen Luftfahrtindustrie keine neuen Flugzeuge geben.

Für 2025 sieht es wohl nicht viel besser aus. Und selbst wenn es tatsächlich gelingen sollte, 2026 die ersten MS-21-310 an Erstkundin (und Aeroflot-Tochter) Rossija auszuliefern, dürfte es noch einige Zeit dauern, bis man in der Lage ist, nennenswerte Stückzahlen zu produzieren.

Vor diesem Hintergrund scheinen bereits die 210 für Aeroflot vorgesehenen MS-21 bis Ende 2030 sehr ambitioniert - eine weitere Steigerung der Produktion mutet geradezu utopisch an. Andererseits ist auch nicht klar, ab wann in Kasan die ersten neuen Tu-214 zur Auslieferung bereitstehen – weshalb sich die gesamte Debatte um Stückzahlen und Orders in Russland, zumindest gegenwärtig, im luftleeren Raum bewegt.
© FLUG REVUE - Patrick Zwerger | Abb.: UAC | 16.06.2024 14:52

Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich bei aero.de registrieren oder einloggen.

Beitrag vom 17.06.2024 - 22:36 Uhr
Das wird dauern. Interessant.
Beitrag vom 17.06.2024 - 10:30 Uhr
Die Frage bleibt hierbei, wie lange man das auf so hohem Niveau durchhält. Momentan schummelt man sich vielleicht noch durch aber ich bezweifele stark, dass die Nummer noch lange gut funktioniert.

@FRAHAM - Im Iran verschärfte sich die Situation seit der Revolution stetig von Jahr zu Jahr. Und das obwohl man in manchen Phasen dem Iran sogar Importe (in sehr beschränktem Umfang) ermöglichte, wenn die politische Lage etwas auftaute.
Warum die Iraner immer noch mit ihren beiden A330 zweimal pro Woche nach Hamburg dürfen, steht auf einem anderen Blatt...

Das sehe ich gegenüber Russland absolut nicht! Im Gegenteil - jedes dieser Flugzeuge ist im Prinzip für immer am freien Markt unverkäuflich. Zum einen weil ggf. zweifelhafte Teile verbaut werden - aber auch, weil weder "daran schraubende" Techniker noch operierende Crews nach neuesten Verfahren (...der Hersteller...) ausgebildet sind.

(Edit - von mir nochmal etwas präziser formuliert)

Dieser Beitrag wurde am 17.06.2024 15:26 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 16.06.2024 - 22:14 Uhr
Naja - ganz so schwarz-weiß ist es ja nicht. Russland hat es geschafft trotz Sanktionen über 150 zuvor geleaste Flugzeuge "rauszukaufen". Und wie leicht sich Sanktionen für Ersatzteile umgehen lassen, beweist der Iran schon seit Jahrzehnten und ist auch im Internet leicht nachlesbar. Stichwort Zwischenfirmen, die Container umleiten und danach verschwinden. Solange sich Geld verdienen lässt, wird es Menschen geben, die solche Handel machen werden.


Stellenmarkt

Schlagzeilen

aero.uk

schiene.de

Meistgelesene Artikel

Community

Thema: Pilotenausbildung

FLUGREVUE 07/2024

Shop

Es gibt neue
Nachrichten bei aero.de

Startseite neu laden